Design für alle.
Stockholm, Kopenhagen oder auch Berlin sind Städte, die aufgrund ihrer Geschichte und Stadtentwicklung eine gewisse Harmonie zwischen dichter Bebauung und Grünflächen bewahren konnten: Berlin hat viele Parks, Seen und Flüsse, die als Erholungsgebiete für die Städter dienen. Auch Stockholm, das auf mehreren kleinen Inseln in der Ostsee erbaut wurde, bietet diese Möglichkeit. Kopenhagen wiederum hat es verstanden, im Rahmen der Stadtentwicklung die Qualität der Naturgebiete auf seiner Stadtfläche zu erhalten.
Vor einigen Jahren hat die Stadt Paris mit der Aktion „le permis de végétaliser“ (auf Deutsch: Erlaubnis zum Begrünen) eine Mitmach-Politik zur Begrünung ihrer öffentlichen Räume eingeleitet. Von Stadtteilvereinen und Schulen getragen und von der Kommune innerhalb und außerhalb des Stadtgebiets koordiniert, bildete sie den Startpunkt einer groß angelegten Begrünungspolitik. Paris, eine der am dichtesten besiedelten Städte der Welt, hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2040 40 Prozent seiner Fläche zu entsiegeln und begrünt zu gestalten sowie die Baumkronenfläche bis 2030 um zwei Prozent zu erhöhen. Auch das Netz der städtischen Biodiversitätskorridore soll durch die Schaffung ökologischer Kontinuitäten erweitert werden. Das geschieht etwa durch bepflanzte Promenaden, Seiten- und Mittelstreifen oder die Neugestaltung von Plätzen. Es ist ein neuer Ansatz für den öffentlichen Raum, bei dem der Platz für Autos zugunsten von mehr Grünflächen für die Bewohner reduziert wird.
Das Mobiliar in der Stadt von morgen
Wir befinden uns in einer neuen Ära des Komforts und der Freundlichkeit in der Stadt. Das heißt, wir streben nach weniger Geräuschen, Gerüchen und visuellen Reizen, um eine höhere Lebensqualität zu schaffen. Denn heute hat sich unser Verhältnis zum öffentlichen Raum verändert. Er wird zum Lebensraum, zur Erweiterung unseres häuslichen Bereichs. Zugleich prägen die Standardisierung, die Einheitlichkeit der öffentlichen Räume sowie der schnelllebige Alltag unsere Wahrnehmung der Stadt und verstärken das Gefühl von Aggressivität oder gar Ausgrenzung.
In diesem Zusammenhang spielt das Stadtmobiliar eine wesentliche Rolle. Als Schnittstelle zwischen uns und der Stadt verwaltet es den Bereich der physischen und visuellen Nähe und bietet Komfort, Sicherheit und Service.
Die Entwicklung von Stadtmöbeln wird durch die Entstehung neuer Gewohnheiten und Verhaltensweisen im öffentlichen Raum beeinflusst: Sport treiben, online gehen, arbeiten, zu Mittag essen, sich entspannen oder die Etablierung von Mülltrennung – um nur einige Beispiele zu nennen. Solche Nutzungen müssen in die Inszenierung der öffentlichen Räume eingeplant werden. Die Formgebung der Materialien sollte unsere Sinne wie auch unsere Emotionen wecken. Und durch die Integration von Pflanzen und Naturräumen wird die Verbundenheit der Menschen zur Natur gestärkt.
Folglich werden Möbel, die vor der Sonne schützen und erfrischenden Schatten spenden, in Verbindung mit der Vegetation zu einem unverzichtbaren Element. Schon jetzt setzen immer mehr Gemeinden Schattenspender ein, wo eine Bepflanzung im Freiland aufgrund von unterirdischen Leitungen nicht möglich ist.
So zum Beispiel in Hyères-les-Palmiers an der Mittelmeerküste, wo durch die Schaffung von begrünten Schattendächern Ruhezonen in den Einkaufsstraßen der Innenstadt geschaffen wurden. Diese großen Strukturen begünstigen das schnelle Wachstum von Kletterpflanzen, die, sobald sie die Konstruktion vollständig bedecken, ein temperaturregulierendes und duftendes Blätterdach bilden.
Die Beschaffenheit der Objekte
Nicht nur in den Anforderungen, auch in der Materialität lässt sich ein Wandel beobachten: Durch sorgfältige Oberflächenbehandlungen, die Verwendung hochwertiger natürlicher Materialien wie Keramik oder Holz und die Entwicklung neuer Einsatzmöglichkeiten für recycelte Materialien können wir unsere Kreationen verbessern und auch unser spezifisches Know-how erweitern.
Die Pariser Methode: zwischen Experiment und Definition einer Formensprache
Die „Rebau“-Outdoor-Möbelkollektion etwa, die unser Büro in Zusammenarbeit mit Emmaus entworfen hat, wird aus alten, recycelten Parkettböden hergestellt, die aus dem Abriss einer Turnhalle stammen. Der Zusammenbau der Holzteile erfolgt in Werkstätten zur beruflichen Wiedereingliederung. So führt ein wertschätzender Umgang mit Materialien zur verantwortungsvolleren Herstellung von Möbeln.
Neue Möbelserien für neue urbane Praktiken zu entwickeln erfordert Zeit. Denn es spielen viele Parameter eine Rolle, die im Vorfeld überprüft werden müssen, um ein optimales Ergebnis zu erzielen. Um diesem Umstand Rechnung zu tragen, hat die Stadt Paris experimentelles Mobiliar wie Schattenspender, Sitzgelegenheiten oder Trinkbrunnen öffentlich platziert und nutzbar gemacht. Auf diese Weise können innerhalb eines bestimmten Zeitraums der Grad der Aneignung, die Erwartungen an den Komfort, die Wahl des Aufstellungsorts und nicht zuletzt die ästhetische Kompatibilität mit dem vorhandenen Mobiliar geprüft werden. In diese Testphasen werden auch die Nutzer sowie Stadtteilvereine einbezogen, um eine optimierte Aneignung des Mobiliars zu erreichen. Der Prozess dauert mehrere Monate, in denen das Mobiliar auf Basis der Rückmeldungen vor Ort weiterentwickelt wird. Ziel ist es, dem Stadtmobiliar eine starke Pariser Identität zu verleihen, die Tradition und Moderne verbindet.
In diesem Rahmen haben wir 2015 zusammen mit der Pariser Verkehrsgesellschaft RATP und der Stadt das Projekt „Osmose“ umgesetzt. Dafür hat unser Büro eine experimentelle Busstation entworfen, die sich in Bezug auf die angebotenen Services weiterentwickeln lässt. Die Ästhetik ist entschieden modern, stellt aber durch die Wahl weicher, von Pflanzen inspirierter Formen eine Verbindung zur Vergangenheit her.
Mehr als zwölf Monate lang war die Osmose-Bushaltestelle gegenüber dem Gare de Lyon ein Ort, an dem Experimente durchgeführt wurden, um die Wartezeiten für die Fahrgäste zu verkürzen und den Komfort zu erhöhen. Zum Beispiel durch eine intuitivere Beschilderung, mehr Informationen, zusätzliche Dienstleistungen, Einblicke in das Stadtleben, Sitzmöbel mit anspruchsvollem Design und vielen anderen Elementen, die das Warten und Busfahren attraktiver machen.
Die Maßnahmen, die aus dem Osmose-Experiment hervorgegangen sind, erweiterten die Anforderungen für weitere Bushaltestellen der Stadt Paris: etwa den Umbau einer Haltestelle in Richtung Stadt für einen leichteren Zugang von Menschen mit Behinderung oder die Anpassung eines Wartehäuschens an verschiedene Konstruktionen, um den Standort- und Nutzungsanforderungen gerecht zu werden. Darüber hinaus entstand die Idee einer doppelten Sitzfläche auf der Fahrbahn- und der Bürgersteigseite, um ein Hinsetzen ohne das Betreten des Unterstandes zu ermöglichen, sowie eine verstärkte Beschilderung für eine bessere Sichtbarkeit.
Diese neuen Wartehäuschen, die wir speziell für Paris entworfen haben, knüpfen an die Erfahrungen aus dem Projekt Osmose an. Sie sind in ästhetischer Hinsicht zu einem Wahrzeichen geworden und in funktionaler Hinsicht zum Maßstab, der architektonisch die Umstrukturierung des öffentlichen Verkehrsnetzes in Paris abbildet.
Eine Herangehensweise zwischen Erinnerung und Moderne
Auch die U-Bahn-Zugänge wurden einer ästhetischen und funktionalen Umstrukturierung unterzogen (Zugang ab 2030), um die Entwicklung neuer Linien zu begleiten. Unsere Arbeit, die hier zwischen Erinnerung und Moderne angesiedelt ist, hat die Identität der U-Bahn strukturiert, bekräftigt und ihr gleichzeitig eine neue Sichtbarkeit verschafft: durch eine effizientere Beschilderung, eine maßgeschneiderte Beleuchtung und hochwertige Materialien. Die Verwendung von Gusseisen und Messing, kombiniert mit einer handwerklicheren Herangehensweise an die Oberflächengestaltung und -behandlung, verleiht dem Entwurf die gewünschte Raffinesse.
Ziel war eine identitätsstiftende Gestaltung, mit der die Zugehörigkeit zum Pariser Verkehrsnetz betont wird. Die Vergangenheit wird nicht verleugnet, aber auch nicht eingefroren. Stattdessen werden Erinnerung und Moderne in den Farben der Zukunft zusammengeführt.
BIOGRAFIE
Caterina und Marc Aurel leiten gemeinsam das Büro Aurel design urbain. Die Architektin und Stadtplanerin und der Designer haben sich mit ihrem Team auf die Gestaltung hochwertigen Stadtmobiliars und öffentlicher Räume spezialisiert. Dabei sind sie für Firmen wie AUBRILAM und BEGA ebenso tätig wie für Metropolen von Lyon über Genf bis Beirut.