Könnten Sie kurz das Konzept der feministischen Stadtplanung beschreiben?
Feministische Stadtplanung ist eine Reihe von Werten, Praktiken und Prinzipien, die darauf abzielen, die seit Langem bestehende Ausgrenzung von Frauen und anderen marginalisierten Gruppen aus Planungsprozessen und der städtischen Infrastruktur zu bekämpfen. Zu diesen Werten und Prinzipien gehören die Priorisierung einer Infrastruktur für Pflegearbeit, die Verankerung der Planung im Alltag, die Berücksichtigung unserer körperlichen Bedürfnisse, die Auseinandersetzung mit besonderen Sicherheitsbedenken und die Infragestellung alter Denkweisen über öffentlichen und privaten Raum.
Welche Rolle spielen städtische Freiräume in diesem Konzept?
Städtische Freiräume sind für jedes feministische Planungsprojekt sehr wichtig. In der Vergangenheit wurden Frauen aus vielen öffentlichen Räumen ausgeschlossen oder dazu gebracht, sich ängstlich oder fehl am Platz zu fühlen. Auch heute noch kämpfen Frauen darum, sich Raum zu verschaffen und sich in Parks, auf öffentlichen Plätzen und auf den Straßen wohlzufühlen. Wir alle brauchen Zugang zu solchen Räumen und ein Gefühl der Sicherheit, um uneingeschränkt am Leben in der Stadt teilhaben zu können.
Wie kann feministische Stadtplanung nicht nur Frauen, sondern der Gesellschaft als Ganzes zugutekommen?
Die Gesellschaft als Ganzes profitiert von feministischer Stadtplanung, weil wir alle sichere Räume brauchen. Wir alle brauchen Ruhe, Schutz, Schatten und Toiletten. Wir alle brauchen effektive Verkehrssysteme. Eine auf Frauen ausgerichtete Gestaltung kann dazu beitragen, lebendige, gemischt genutzte Freiräume zu schaffen, die für alle einladend sind.
Auf welche Vorurteile stoßen Sie häufig, wenn Sie über feministischen Urbanismus sprechen?
Zu den Vorurteilen über feministischen Urbanismus gehört die Vorstellung, dass Männer an den Rand gedrängt werden oder dass wir separate, rosafarbene Räume für Frauen wollen. In Wahrheit profitieren auch Männer von feministischen Maßnahmen. Diese sollen uns allen helfen, gerechter, gleichberechtigter und nachhaltiger zusammenzuleben.
Was muss sich an der derzeitigen Stadtplanung ändern?
Um sicherzustellen, dass künftige Generationen Parks unabhängig von ihrem Geschlecht gleichberechtigt nutzen können, ist es wichtig, den Menschen zuzuhören, die sich in Parks oft ausgeschlossen oder unsicher fühlen, insbesondere Mädchen und Teenagerinnen. Damit es Räume gibt, in denen sich Mädchen wohlfühlen, spielen und Kontakte knüpfen können, brauchen wir mehr als Fußballplätze und Skateparks.
Können Sie Beispiele für Städte nennen, die bereits erfolgreich feministische Stadtplanung umgesetzt haben, und wie sich dies bewährt hat?
Zwei Beispiele für Städte, die feministische Stadtplanung einsetzen, sind Wien in Österreich und Bogotá in Kolumbien. Wien hat das Stadtviertel Aspern sehr erfolgreich auf die Bedürfnisse von Frauen und Eltern zugeschnitten, mit allem, was dazugehört: von einem hervorragenden öffentlichen Nahverkehr bis hin zu Abstellplätzen für Kinderwagen in Wohngebäuden. Außerdem wurden Orte nach bedeutenden Frauen benannt. In Bogotá ist das „Care-Block-System“ eine neue Maßnahme, bei der Pflegeeinrichtungen bewusst in fußgängerfreundlichen oder verkehrsgünstigen Stadtvierteln angesiedelt werden und Betreuungskräfte ihre Kinder dort unterbringen können, um sich weiterzubilden oder ihre Freizeit zu genießen.
Wenn Sie morgen eine einzige Sache in Städten ändern könnten, um sie inklusiver zu machen, welche wäre das?
Wenn ich heute eine einzige Sache in Städten ändern könnte, um sie inklusiver zu machen, würde ich den Autoverkehr einschränken und mehr fußgängerfreundliche Räume mit Spielplätzen, sozialen Betreuungsangeboten und Möglichkeiten für alle Arten von menschlichen Aktivitäten in einer gemischt genutzten, lebendigen Umgebung schaffen.
BIOGRAFIE
Dr. Leslie Kern ist Stadtgeographin und Autorin von drei Büchern über Städte, darunter „Gentrification Is Inevitable and Other Lies“ sowie „Feminist City: Claiming Space in a Man Made World“. Bis 2024 war sie außerordentliche Professorin für Geographie und Umwelt sowie Frauen- und Genderwissenschaften an der Mount Allison University in Sackville, Kanada. Ihre Forschung und ihre Schriften befassen sich mit der feministischen Stadttheorie, Wohngerechtigkeit und gerechter Stadtgestaltung.