Resiliente Quartiere.
KLIMAWANDEL:
Freiraum als grün-blaue Infrastruktur und Stadtnatur.
Im Zuge des Klimaschutzes und der Anpassung an den Klimawandel gewinnt der Freiraum als grün-blaue Infrastruktur an Bedeutung. Urbane Räume müssen massiv begrünt werden, um lebenswert zu bleiben. Sie sind vor Starkregenereignissen und Überhitzung zu schützen, können aber zugleich ihrerseits den Gebäudebestand schützen und das Leben in Innenräumen angenehmer machen. Neben der Freihaltung von Frischluftschneisen bilden die Regenwasserrückhaltung und Versickerung vor Ort sowie kleinräumige Kühlung und Schattenangebote die wichtigsten Maßnahmen, umgesetzt mit klimagerechter Vegetation. Die Weiterentwicklung urbaner Räume als Reaktion auf den Klimawandel ist auch Teil der Gesundheitsvorsorge und insbesondere für Ältere und Kinder überlebenswichtig. Zugleich entstehen Habitate für Tiere und Pflanzen und neue Formen von Stadtnatur. Biodiversität wird gefördert. Die dafür nötigen Flächen werden durch die Mobilitätswende verfügbar.
MOBILITÄTSWENDE:
Freiraum als Bewegungsraum.
Die Mobilitätswende setzt ein immenses Flächenpotenzial in den Städten frei. Stadt kann neu gedacht werden. Mit der Rücknahme des ruhenden und fließenden Individualverkehrs und der Stärkung des Fuß- und Radverkehrs entsteht mehr Flächengerechtigkeit. Frei werdende Räume können mit unterschiedlichen Nutzungsangeboten und Funktionen belegt werden. Neben sicheren Bewegungsräumen für Menschen jeden Alters können Aufenthalt, Spiel und Sport ermöglicht und Flächen für die grün-blaue Infrastruktur bereitgestellt werden.
Dabei ist auch die Verkehrsfunktion in transformierter Form sicherzustellen, denn die Innenstadt wird als Ort für neue Produktionsweisen und Dienstleistungen diskutiert. Diese Transformation kann nur schrittweise gelingen. Sie erfordert eine umfangreiche gesellschaftliche Kommunikation, unterstützt durch Pilotprojekte, die der Gesellschaft den Wert der Mobilitätswende vermitteln.
SOZIALER WANDEL UND GESELLSCHAFTLICHE VIELFALT:
Freiraum als Begegnungsraum.
Die Verknüpfung von analoger und digitaler Welt schreitet in Sieben-Meilen-Stiefeln voran. Sie eröffnet neue Möglichkeiten der Kommunikation und der Vernetzung. Dennoch sind die analoge Welt und die direkte Begegnung zwischen Menschen nicht zu ersetzen. Öffentliche Freiräume geben ihnen eine stabile Verankerung in der lokalen Gegenwart und schaffen wichtige Begegnungsräume für eine demokratisch basierte Gesellschaft. In ihnen wird gesellschaftliche Vielfalt erlebbar. In entspannter Atmosphäre kann Toleranz eingeübt werden. Durch eigene Handlungsmöglichkeiten, aber auch durch die Bereitstellung von Interaktions-, Erholungs- und Rückzugsräumen im Freien verankern sich Menschen an ihrem Wohnort, werden lokale Gemeinschaften gestärkt und wird Diversität sicht- und positiv erfahrbar.
Dabei ist der Vielfalt an Nutzergruppen, Bedürfnissen und Interessen Raum zu geben. Interessenkonflikte im Freiraum sind demokratisch auszuhandeln, wobei unterprivilegierte Bevölkerungsgruppen in besonderem Maße zu berücksichtigen sind.
TECHNIKWENDE:
Freiraum als Ort für das technisch Notwendige.
Insbesondere durch die Energiewende hin zu möglichst autarken dezentralen Lösungen auf Quartiersebene sind Produktions- und Leitungsinfrastrukturen in den Freiraum zu integrieren. Flächenkonflikte zwischen Energieerzeugung, Biodiversität, Wasserbewirtschaftung, Produktion und Erholungsfunktion gilt es intelligent zu lösen. Infrastrukturen müssen sich einerseits durch Robustheit und Langlebigkeit auszeichnen, gleichzeitig aber auch Raum und Anpassungsfähigkeit an zukünftige, heute noch nicht bekannte technische Innovationen ermöglichen. Hierbei gilt „Lowtech vor Hightech“. Die aktuelle Renaissance traditioneller klimaangepasster und integraler Bautechniken zeigt das große Potenzial.
BIODIVERSITÄTSKRISE:
Freiraum als artenreicher Lebensraum.
Ausgelöst durch den immensen Verlust an Arten sowie genetischer Vielfalt wird die gezielte Gestaltung, aber auch Nicht-Gestaltung des Freiraums als Lebensraum eine wesentliche Rolle bei flächenbezogenen Entscheidungen spielen. Innerstädtisch schaffen vielfältige öffentliche Grünanlagen und private Gärten Lebensräume für Insekten, Vögel und Kleinsäuger. Dächer und andere bisher nur „grau“ genutzte Flächen werden begrünt. Am Übergang vom bebauten Raum in die Grünzüge der Region werden Landnutzungen kleinteiliger strukturiert. Hierbei spielen verbindende Elemente wie Baumreihen und Baumgruppen, Hecken sowie extensives Grünland eine Rolle. Neben ihrer Funktion als Lebensraum tragen sie zum regionalen und überregionalen genetischen Austausch bei.
BIOGRAFIE
Sonja Moers ist Dipl.-Ing. Architektin, Stadtplanerin und Bauassessorin. Sie hat an der TU Kaiserslautern und am University College Dublin studiert und ist seit 2000 gesch.ftsführende Gesellschafterin bei raumwerk Gesellschaft für Architektur und Stadtplanung mbH, Frankfurt am Main und Düsseldorf. Das Büro arbeitet an der Schnittstelle von Städtebau, Architektur und Innenarchitektur und erforscht nach eigener Aussage die Grenzbereiche von Typologien und Maßstäben.