Die Freiraumwende wagt den globalen Blick
Mit ihr öffnet die Initiative Freiraumwende ihren Blick in die Welt – geografisch, sprachlich und thematisch. Was 2024 als nationale Agenda begann, findet nun seine internationale Fortsetzung: Die neue Publikation „RE:PUBLIC SPACE Agenda“ versammelt neun Essays und Interviews von Stimmen aus Landschaftsarchitektur, Stadtplanung und Forschung. Ihr gemeinsamer Nenner: Freiraum ist kein ästhetisches Beiwerk, sondern eine zentrale Infrastruktur für das Leben in Zeiten von Klimawandel, Verdichtung und gesellschaftlichem Wandel.
Wo die Freiraumwende-Agenda den Diskurs angestoßen hat, führt die neue Publikation ihn international weiter – mit Perspektiven, die den Maßstab verschieben. Die Beiträge zeigen, wie unterschiedlich Regionen, Kulturen und Disziplinen mit ähnlichen Fragen ringen und wie aus diesen Unterschieden neue Lösungsansätze entstehen. Ob aus Neuseeland, Singapur oder Barcelona: Überall wird deutlich, dass die Zukunft des Freiraums nur im globalen Austausch gedacht werden kann.
Kurswechsel in der Freiraumplanung
Den Auftakt des Diskurses macht Dr. Bruno Marques, Präsident der International Federation of Landscape Architects (IFLA). Im Interview fordert er einen Paradigmenwechsel in der Profession und dessen Rezeption: „Stop preaching – start demonstrating.“ Eine entscheidende Maßnahme für einen Kurswechsel in der Profession sieht Marques in der Rückbesinnung auf den jeweiligen Ort: Materialien, Ressourcen und Wissen sollten sich wieder auf die jeweilige Landschaft konzentrieren, die sie bearbeiten. Mit diesem Ansatz könnten wieder Städte und Landschaften geschaffen werden, die einzigartig und nicht austauschbar sind.
Diesen Gedanken führt Niklas Kramer vom Internationalen Stadtbauatelier (ISA) weiter: Stadt und Landschaft dürfen nicht länger als Gegensätze verstanden werden. Architektur, Freiraum, Klima und Gesellschaft bilden ein zusammenhängendes System, das nur im Zusammenspiel funktionieren kann. Eine Bauwende kann aus seiner Sicht nur erfolgreich sein, wenn auch der Freiraum neu gedacht wird.
Die sozio-kulturelle Dimension der Freiraumplanung
Währenddessen führt Gerhard Hauber von Henning Larsen diese Perspektive in die Praxis. Sein Essay über Singapurs Wasserstrategie zeigt, wie sich ökologische und soziale Funktionen zu einer neuen Form von Stadt verweben lassen. Am Beispiel des Bishan Parks zeigt Hauber auf, welche Kraft dem Wasser und der Gestaltung mit dem Element innewohnt. Wenn es statt reguliert in die Stadt- und Freiraumgestaltung integriert wird, schafft es zugleich Biodiversität, Kühlung und Aufenthaltsqualität. Haubers Beitrag steht exemplarisch für das, was die Freiraumwende antreibt: eine Planung, die natürliche Prozesse nicht als Einschränkung, sondern als Ressource versteht.
Einen weiteren, entscheidenden Akzent setzt Dr. Leslie Kern. Die feministische Stadtforscherin und Professorin am Columbia College in Kanada erinnert daran, dass Freiraum stets auch eine Frage von Macht und Teilhabe ist. Vor diesem Hintergrund zeigt sie in zehn Prinzipien zur feministischen Stadtgestaltung, wie Städte für alle zu lebenswerten Orten der Begegnung gestaltet werden können, an denen sich alle sicher fühlen. Entsprechend dieser Prinzipien werden Sicherheit, Fürsorge und Sichtbarkeit zu räumlichen Kategorien – und damit zu zentralen Themen der Freiraumwende.
Eine weitere wichtige politische Dimension fügt Xavier Matilla Ayala hinzu, ehemaliger Stadtarchitekt von Barcelona. Als dieser führte er im Jahr 2017 das Konzept der Superblocks in Barcelona ein: Neun Blocks der im Schachbrettmuster angelegten Stadt wurden dabei zu einem „Superblock“ zusammengefasst. Dort wurden Straßen für Autos gesperrt und fußgänger*innenfreundlich umgestaltet. Mit dieser Maßnahme konnten Feinstaub und Lärm verringert werden. Zudem zeigt es auf wie Transformation im Bestehenden gelingen kann: durch Umverteilung von Raum. Seine Erfahrung macht deutlich, dass Freiraum nicht nur entworfen, sondern auch durchgesetzt werden muss.
Vom Freiraum aus denken
Neben diesen wichtigen Stimmen versammeln sich in dem knapp 90-seitigen Kompendium noch weitere Stimmen der Architektur und Freiraumplanung. Deren Sichtung sich lohnt. Darunter Carlo Ratti, der Kurator der Architekturbiennale 2025, Sabine Dessovic von DnD Landschaftsplanung, Caterina und Marc Aurel, sowie Andreas Hofer. Gemeinsam zeichnen sie ein Bild davon, wohin sich die Freiraumplanung entwickeln kann und welche Möglichkeiten sich bieten, wenn wir vom Freiraum aus denken. Zudem wird deutlich, dass die Fragen nach der Gestaltung unserer zukünftigen Räume zwar dieselben bleiben, die Antworten darauf jedoch umso diverser sind. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, wie wichtig ein globaler Austausch ist, der die eigene Perspektive weitet.
Die internationale Agenda versteht sich deshalb als Einladung, weiterzudenken: über Grenzen hinweg, über Maßstäbe hinaus, über das, was Freiraum heute bedeuten kann. Deswegen verstehen wir auch die internationale Agenda nicht als abgeschlossenes Werk, sondern den Anfang eines Gesprächs – den wir mit Ihnen fortsetzen wollen.
Wenn auch Sie einen Blick in den internationalen Diskurs der Freiraumplanung werfen wollen, können Sie das deutsche PDF über das Download-Formular kostenlos herunterladen.